Ein Argumentationspapier der Initiatorinnen und Initiatoren des Aufrufs (hier auch als Flyer im PDF-Format)
Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!
„Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!
Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,
und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände zerschlagen werden.“
Bertolt Brecht, Das Gedächtnis der Menschheit
Die Regierenden, die meisten Parteien und die herrschenden Kräfte in der Wirtschaft in Deutschland und in der Europäischen Union planen eine gigantische Hochrüstung. Viele hunderte Milliarden Euro sollen für mehr Waffen und andere Rüstung, für Soldaten, für militärisch genutzte Infrastruktur ausgegeben werden. Sie reden von Verteidigung und Abschreckung, doch tatsächlich bereiten sie den Krieg vor. Einen Krieg, der bei uns stattfinden wird, in Deutschland und unseren Nachbarländern, in unseren Städten und Gemeinden. Unsere Menschen sollen ihn führen und dabei sterben, verletzt und verstümmelt werden. Unsere jungen Menschen sollen dafür ins Feld ziehen und geopfert werden. Weil das zu wenige freiwillig wollen, soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden, sollen sie gezwungen werden zu schießen und auf sich schießen zu lassen. Dafür werden dann die Krankenhäuser kriegstüchtig gemacht. Um tausende Verletzte am Tag zu behandeln, während Zivilisten dann nicht versorgt werden können.
Die soziale Infrastruktur wird seit vielen Jahren immer weiter vernachlässigt, es gibt zu wenig bezahlbare Wohnungen, Brücken stürzen ein, Busse und Bahnen fahren immer unzuverlässiger, Schulen und Hochschulen vergammeln und Lehrpersonal fehlt, bei Ärzten und Ämtern bekommt man kaum Termine, Krankenhäuser werden geschlossen, Pflegeplätze für die Alten fehlen und werden unbezahlbar, weil überall Geld und Personal fehlen. Immer wurde erzählt, der Staat habe kein Geld und höhere Verschuldung dürfe nicht sein, sei schädlich und belaste künftige Generationen. Was nicht stimmt, wenn der Staat mit den Schulden nützliche Investitionen bezahlt, die den heutigen und künftigen Generationen zugutekommen, ihre Produktivität und ihren Wohlstand mehren.
Doch jetzt soll der Staat für die Hochrüstung in der Höhe und zeitlich unbegrenzt Schulden aufnehmen können und die bisherigen Gegner von Schulden sind einverstanden oder bejubeln es sogar. Dabei sind diese Schulden für Militärausgaben tatsächlich schädlich: sie schaffen keine besseren Lebensbedingungen für die Menschen, sie erhöhen nicht, sondern vermindern ihren Wohlstand, sie schaffen keine zusätzlichen Produktionskapazitäten, sondern verschwenden Ressourcen und Arbeitskraft, die für andere Zwecke gebraucht und viel nützlicher eingesetzt werden könnten. Sie machen uns ärmer. Je mehr Geld für Militär und die Zinsen für diese Kredite ausgegeben wird, desto weniger bleibt für den Sozialstaat übrig, für die Daseinsvorsorge, für die zivile Infrastruktur, für Renten und für die Löhne der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, im Bildungswesen und den sozialen Bereichen.
Politiker, die die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung vorantreiben, und die Rüstungsindustrie, die davon profitiert, erzählen uns, dass dies Arbeitsplätze und Wachstum schaffe. Auch für viele Beschäftigte und selbst Gewerkschaften ist das attraktiv, zumal die Löhne nicht schlecht sind. Gleichzeitig sind andere Industrien in der Krise, Werke werden geschlossen, Beschäftigte arbeitslos. Doch diese Krise liegt zu einem großen Teil an der verfehlten Politik von Konfrontation und Kriegsbeteiligung, statt sich um Verhandlungen und friedliche Lösung zu bemühen. Sie liegt an enorm gestiegenen Energiepreisen durch den Krieg in der Ukraine und durch die Sanktionspolitik der EU, die auf teures und besonders umweltschädliches Fracking Gas auf den USA setzt und die Handelsbeziehungen zu Russland und China ruiniert. Der von US-Präsident Trump verschärfte Zoll- und Handelskrieg auch gegen Europa macht die Lage noch schlimmer.
Doch auch zur Ankurbelung der Wirtschaft ist Aufrüstung schlecht geeignet. Wir brauchen weiterhin Bahnen statt Panzer und nicht umgekehrt. Mit den gleich hohen Ausgaben für sinnvolle zivile Investitionen und für mehr Personal in Bildung, Gesundheitswesen und sozialen Diensten könnten nicht nur die gesellschaftlichen Lebensbedingungen verbessert werden, sie würden auch weit mehr Arbeitsplätze und höheres Einkommen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen. Sie könnten zukunftsfähige, innovative Industrien und lebenswertere Städte und Gemeinden fördern. Sie würden durch ihre höheren und nachhaltigeren Wachstumswirkungen auch den Schuldenstand schneller wieder sinken lassen und sie könnten zugleich die Gesellschaft umwelt- und klimaverträglicher machen.
Militär ist dagegen auch ökologisch zerstörerisch. Kriege, Rüstung und Militäraktivitäten sind für einen hohen und immer größeren Anteil der Klima- und Naturzerstörung verantwortlich. Gleichzeitig werden sie nicht mitgerechnet bei den Klimazielen, die von ihnen verursachten Schäden steigen immer weiter an. Eine Rettung von Menschen und Natur wird nur möglich sein, wenn die Hochrüstung gestoppt und stattdessen abgerüstet wird, weltweit. Eine gute Zukunft wird nur möglich sein, wenn Kriege beendet und verhindert werden, wenn die Staaten und Völker der Erde zusammenarbeiten, wenn sie Konflikte friedlich lösen und gemeinsam Armut bekämpfen, die Länder wirtschaftlich und sozial entwickeln und Natur und Klima schützen.
Alle Begründungen für die Hochrüstung sind falsch. Was die Oberen in Deutschland und der EU betreiben, ist nicht Abschreckung und Aufbau notwendiger Verteidigung, sondern Kriegsvorbereitung. Sie rüsten für den Krieg, schaffen Angriffswaffen an, wollen Truppen schnell und in großer Zahl nach Osten bringen können. In Deutschland sollen neue US-Mittelstreckenwaffen stationiert werden, die Erstschläge gegen Kommandozentralen und andere strategische Ziele ausführen können. Statt einen Krieg unbedingt zu vermeiden, legen sie es darauf an, ihn führen und gewinnen zu können. Aber ein Krieg gegen Russland wird nicht zu gewinnen sein, sondern wird dann ein Atomkrieg sein, der mindestens große Teile der Menschheit und besonders Europa vernichten wird.[1]
Es ist auch nicht wahr, sondern eine Schauergeschichte der Kriegspropaganda, dass Russland den Plan habe und in der Lage wäre, einen Angriff gegen die Staaten der NATO und der EU zu führen. Anders als bei dem nicht zu rechtfertigenden Einmarsch in die Ukraine, wo Russland seine Forderungen formuliert hatte, auf die nicht eingegangen wurde, gibt es solche Ziele und Interessen Russlands in Bezug auf die anderen Länder Europas nicht. Vor allem hat Russland nicht im Mindesten die Möglichkeiten für einen erfolgversprechenden Angriff. Russland ist der NATO militärisch schon jetzt klar unterlegen, auch ohne die geplante Aufrüstung, selbst wenn man nur die europäischen NATO-Staaten ohne die USA betrachtet. Zudem werden sich die USA keinesfalls aus Europa zurückziehen, sie sind hier aus ihren eigenen Interessen, sie wollen nur die Europäer mehr bezahlen lassen. Und genau diesen Gefallen wollen unsere und die EU-Machteliten US-Präsident Trump tun. Bei den meisten Waffensystemen ist die NATO deutlich stärker, sie hat mehr Soldaten und mehr Bevölkerung, eine viel größere Wirtschaftskraft, höher entwickelte Technologie, und gibt schon jetzt mehrfach so viel Geld für Militär aus wie Russland, obwohl dieses im Krieg ist.[2]
Es ist völlig widersprüchlich und unglaubhaft, wenn die gleichen Leute behaupten, die Ukraine könne den Krieg gegen Russland noch gewinnen, wenn ihr noch mehr Waffen und Geld geliefert würden, und gleichzeitig, dass Russland in der Lage wäre einen Krieg gegen die NATO anzufangen. Seriöse Analysen, selbst die US-Geheimdienste, halten das für unrealistisch.
Wir rufen die Parteien, die Medien, die Wissenschaft und die Kultur dazu auf, nicht mehr diese Kriegspropaganda zu verbreiten, sondern zu widersprechen und dem Hochrüstungswahn entgegenzutreten. Das Mindeste ist, auch die Stimmen gegen den Krieg und die Militarisierung, unsere Stimmen, die Stimmen von vielen, die bisher kaum vorkommen und die diffamiert werden, angemessen zu Wort kommen zu lassen. Wir sind keine „Putinfreunde“, sondern Freunde des Friedens, wir verurteilen den Krieg, den Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Konfrontationspolitik, die dazu geführt hat. Schon gar nicht sind wir „rechts“, sondern rechts ist eine Politik der Hochrüstung, der Militarisierung der Gesellschaft und der Kriegsvorbereitung. Auch die demokratischen Rechte, die freie Meinungsäußerung, die gewerkschaftlichen Rechte, das Streikrecht sind bedroht, wenn die Kriegsvorbereitung weiter voranschreitet.
Wir rufen alle Menschen auf, ihren Verstand zu benutzen und sich diesem Hochrüstungswahnsinn, diesen gefährlichen Kriegsvorbereitungen entgegenzustellen. Wir brauchen keine „Kriegstüchtigkeit“, sondern eine Politik für Frieden, für Verhandlungslösungen, für Rüstungskontrolle und Abrüstung. Wir wollen keine Wehrpflicht. Wir wollen keine neuen Kriegskredite, keine Schulden für noch mehr Militär. Wir wollen, dass das Geld des Staates für ein besseres Leben der Menschen und für die Sicherung der Zukunft ausgegeben wird und nicht für Waffen und Krieg. Wir fordern die Gewerkschaften, Verbände und Parteien auf: Frieden, die Verhinderung von Kriegen muss das höchste Ziel und die Richtschnur der Politik sein. Setzt euch endlich dafür ein, werdet eurem Auftrag gerecht!
[1] Vgl. https://nie-wieder-krieg.org/2024/11/22/hintergrundmaterial-berliner-appell/ Berliner Appell unterschreiben hier:https://nie-wieder-krieg.org/berliner-appell/
[2] Vgl. https://nie-wieder-krieg.org/2025/03/13/stellungnahme-reiner-braun-haushaltsausschuss/